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Testbericht 1959

Kraftrad Sport und Technik testet:
Kreidler Florett Geländesport
Blickt man auf die Geländesportsaison 1959 zurück, so kann man sagen: Es war ein turbulentes Jahr. Es gab mal wieder Sensationen und Sensatiönchen. BMW wurde in seiner Klasse geschlagen. Hercules brachte Leben in die fast vergessene 100er Klasse, und DKW bekam trotz allem Aufwand kein Bein auf die Erde. Dennoch wird man, wenn man nach dem Knüller der Saison gefragt wird, auf die Floretts verweisen. Bei der Dreitagefahrt und den Trial - Pokal - Läufen standen die Heckenspringer aus Stuttgart nicht nur ihren Mann, sie zeigten sogar stärkeren Maschinen die Zähne. Bald war die Mär vom Wundermotorrad in aller Munde. Sicher, es war nichts Neues mehr, daß das Florett die Maschine seiner Klasse war. Es wurde zum typischen Beispiel der Entwicklung auf dem Motorrad Markt - ich sage mit Absicht nicht "Moped", da liegen die Dinge noch nicht ganz so Publikum und Fachwelt werden sich in ihrer Meinung immer einiger. 
Kreidler Almdudler
Die Spezialausführung weist nur geringfügige Änderungen auf, 
dennoch ist es eine vollwertige Geländemaschine.
Die Meinung war sehr gut, man braucht kaum die Finger einer Hand, um aufzuzählen, welche zweirädrigen Fahrzeuge auf unserem Markt den gleichen Entwicklungsstand wie das Florett erreicht haben. Dabei haben nicht einmal ausgesprochene Superlative zu der guten Beurteilung des Floretts geführt, Es ist zwar recht schnell, aber es gibt in dieser Klasse noch manches andere schnelle Fahrzeug, namentlich aus Italien wird da so allerlei importiert, was ab Laden auch ein wenig über 70 km/h läuft. Die Straßenlage ist gut, das ist bei den gegebenen Geschwindigkeiten keine technische Großtat, auch ließe sich das Fahrverhalten mit entsprechendem Aufwand noch weiter verbessern. Gut möglich, daß auch hier schon jemand weiter ist. Nein, die Stärke des Floretts liegt auf anderem Gebiet: Es ist zuverlässig, anspruchslos und solid. Es ist nicht launenhaft, nicht hinterlistig, und leicht in Stand zu halten. Doch bei allen diesen "braven" Eigenschaften hat es sich einen sportlichen Charme erhalten.

Man war geneigt, auf Grund von all dem dem Florett einiges zuzutrauen. Aber mit seinen Leistungen im Gelände hatte niemand gerechnet. Man glaubte an ein Wunder. Da wir dies von Berufs wegen nicht dürfen, bemühten wir uns um eine Testmaschine. Bei Kreidler war man da nicht kleinlich, bald stand eine der Dreitage - Maschinen bei uns auf dem Hof. So schnell wie das Florett haben wir kaum je eine Testmaschine aus der Verpackung gezerrt. Sei es, weil sich auch bei mir etwas von dem Wunderglauben eingeschlichen hatte, oder nur aus reiner Neugier, ich hatte nicht eher Ruhe, bis ich die erste Blockrunde absolviert hatte. Wenn Sie mich daran anschließend gefragt hätten, ich würde völlig irreführend geantwortet haben. Von einer reichlichen Übersetzung hätte ich gesponnen und von einer ganz beachtlichen Mehrleistung.

Doch bevor die Fahreindrücke näher besprochen werden, schauen wir uns das Ding etwas genauer an. Man sieht es nicht alle Tage. Eine detaillierte Besprechung ist darum schon am Platze. Das Gelände - Florett macht auf den ersten Blick einen recht sportlichen Eindruck. Es kann sich zwar nicht mit den Ausgeburten halbstarker Phantasie messen, aber man sieht ihm schon an, daß es nicht zum Milchholen dienen soll. Dies jedoch hat man mit einem ganz bescheidenen Aufwand erreicht. Zunächst bekam das Florett eine andere Gabel. Statt des tragenden Schutzbleches gibt es jetzt Rohrstreben. Dieser Umbau geschah mit Rücksicht auf den im Gelände unvermeidlichen Dreck. Der Lenker wurde allein durch längere Handgriffe - Motorradgröße - verbreitert. Statt des einfachen Moped -Tachos findet man ein Präzisions - Instrument mit rückwärts laufendem Tageszähler. Anstelle der Sitzbank montierte man einen sehr bequemen Einzelsitz. Befestigungen für die Startnummern und grobe Reifen runden das Bild ab. Wirft man einen Blick unter das Blech, so findet man einen größeren Vergaser von Bing mit Ringschwimmer 15 mm Durchmesser. Dieser Vergasertyp hat den Vorteil, sozusagen kunstflugtauglich zu sein. Der Motor bleibt nicht bei jedem Rutscher im Gelände stehen. Zählt man die Übersetzung ab, so stellt man erstaunt fest, daß diese mit 14 : 36 völlig der Serie entspricht. Begibt man sich auf die Suche nach dem erstaunlichen Durchzug, so findet man einen überarbeiteten Motor und einen um 100 mm längeren Schalldämpfer, Wunder und Tricks auf der Ansaugseite sucht man vergeblich.

Speziell an unserer Testmaschine war ein ganz beträchtlicher "Verschleiß" festzustellen. Man hatte sie für die Dreitagefahrt einem Privatfahrer gegeben, der sich während der ganzen Fahrt vergeblich bemühte, das Florett in Grund und Boden zu schinden. Die Spuren dieser Behandlung waren in Form einiger Beulen und eines nicht mehr ganz einwandfreien Getriebes zu finden. Später erfuhr ich, daß der Motor einen ganzen Tag mit festem Schieber auf Vollgas gelaufen ist. Dessen ungeachtet ging er bei uns einwandfrei, er sprang willig an, bis er einer neuen Kerze bedurfte. Eine Rennkerze war jedoch bei uns in Landsberg nicht zur Hand. Auch das Schwimmerventil machte später nicht mehr so ganz mit.
 

Die Rohrgabel entstand wegen des Drecks, 
nur erscheint sie auch etwas steifer.
 

Das Gelände - Florett ist (wie jedes Erzeugnis aus dem Hause Kreidler) handlich. Das allein ist kein Wunder bei einem Fahrzeug dieser Art. Zu dieser Handlichkeit kommt jedoch eine gute Portion Sicherheit, mehr als man sonst von Mopeds und Fünfzigern gewohnt ist. Auf Grund dessen gewöhnt man sich recht bald eine Fahrweise an, die gelinde gesagt etwas frech ist. Das Hinterrad geht in der Kurve wohl wegen des Reifens gerne weg, man beginnt das so mit der Zeit in seine Kalkulationen einzubeziehen. Die Bremsen sind sehr wirkungsvoll, man nutzt das aus, da die verhältnismäßig geringe Leistung zur Ausnutzung aller Möglichkeiten verführt. Wenn ich schreibe, die Leistung sei gering, so ist das relativ gemeint. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie munter das Motörchen loslegt. Man muß es nur kräftig drehen lassen. Der erste Gang reicht bis 30 km/h, der zweite bis 50, und im dritten klettert der Tacho bei guter Laune auf 70 km/h. Da die Übersetzung des Antriebs nicht ganz stimmt, sind die effektiven Geschwindigkeiten etwas höher.

Macht das Gelände - Florett auf der Straße schon Spaß, abseits davon wird die Fahrerei zur hellen Freude. Der leistungsfähige Motor und das ausgezeichnete Fahrgestell gehen hier Hand in Hand. Selbst mit der Straßenübersetzung läßt einen der dritte Gang auf allen schnellen oder Bolzstrecken nicht im Stich, sogar leichte Steigungen schafft er noch. Rinnen, längs, quer, schräg, sie können kommen wie sie wollen, Lenkung und Fahrgestell bleiben ruhig. Wird das Terrain einmal schwieriger, so darf man allerdings nicht bis zum letzten Augenblick mit dem Schalten warten. Der Motor braucht, Drehzahl. Immerhin hilft über diesen Punkt das Fahrgestell ganz schön hinweg. Dort, wo andere vorsichtig zu Werke gehen müssen, kann man mit dem Kreidler durchbolzen. Die Federung schluckt, obwohl sie nur recht kurze Wege hat, erstaunlich viel, dabei hat man die Lenkung immer noch voll in der Hand. Besonders auf felsigem Untergrund ist diese Eigenschaft eindrucksvoll. Man fragt sich: wer hält das länger aus, die Maschine oder die Steine ? Auch sonst ist das Florett hart im Nehmen. Die Kupplung, die man dort, wo die Leistung nicht mehr reicht, immer wieder strapazieren muß, versieht ihren Dienst unermüdlich. Den Motor kann man tagelang in den kleinen Gängen schinden, das Gebläse sorgt dafür, daß ihn diese Beanspruchungen kalt lassen.

Nicht nur das Fahrzeug selbst wird mit fast allem fertig, auch der Fahrer eines Floretts vermag vieles leichter zu überstehen als seine Konkurrenten. Einmal ist das Gewicht von 75 kg immer leicht zu beherrschen, so oft kann man gar nicht hinfallen, wie man das Kreidler aufheben könnte, ohne dabei zu ermüden. Weiterhin schont auch die glückliche Sitzposition den Mann. Wirkt die Maschine auch hochbeinig, der Bequemlichkeit ist das nur dienlich. Muß man in schwierigen Geländestücken in den Rasten aufstehen, so bleiben diese guten Eigenschaften leider nicht ganz erhalten. Die Fußrasten liegen recht weit vorn, dies und die Tanktaschen hindern am Einschlagen. Außerdem ist es in dieser Haltung schwer, das Vorderrad plötzlich zu entlasten. Beim Springen kann man da in Verlegenheit kommen. Dies abzuändern ist gar kein Problem, wen das gleich mir stört, kann die Änderung leicht selber vornehmen.

Für später würde ich mir auch einen breiteren Lenker wünschen, auch wäre es sehr erfreulich, wenn man selbst stehend in den Rasten noch Knieschluß nehmen könnte, statt dessen hängt man jetzt mit den Knien in der Lücke zwischen Tank und Sitzbank. Dort findet man keinen Halt, nur harte Kanten. Eine wesentliche Verbesserung der Fahreigenschaften im Gelände erbringt eine reichlichere Übersetzung. Wir bekamen zwei kleinere Getrieberitzel mit 12 und 13 Zähnen mitgeliefert. Es ist nicht sehr schwierig, diese auszuwechseln. Man muß sich nur ein kürzeres Zwischenstück für die Kette beschaffen, um die geringere Zahl der Zähne auszugleichen, die Kettenspannung allein reicht nicht ganz aus. Mit den kleineren Ritzeln sinkt die Spitze erfahrungsgemäß pro Zahn um etwa 5 km/h, dies fällt aber im Gelände nicht ins Gewicht, denn die Geschwindigkeit von 70 km/h läßt sich nur auf der Straße erreichen. Das Marschtempo auf Feldwegen liegt mit der normalen Übersetzung unter 60 km/h. Sobald der Motor aber voll ausdrehen kann, sind auch dort ein paar km/h mehr drin. Bei der Dreitagefahrt benutzten fast alle Kreidler - Fahrer das Dreizehner Ritzel, nur in einem Fall war sogar ein zwölfer drin. Die Erfolge bei dieser Veranstaltung sprechen für die reichlichere Übersetzung. Die Grenzen der Steigfähigkeit ließen sich im Fahrbetrieb nur schwer ermitteln. Auf unserer Haus - Trialstrecke gibt es eine Steilauffahrt mit ca.30 % Steigung, sie ist mit bis zu kopfgroßen Steinen garniert. Hier war der Motor seiner Grenze recht nahe. Man brachte die Maschine zwar hinauf, mußte aber dafür sorgen, daß Dampf auf dem Kessel blieb, selbst wenn das auf Kosten von Fusseln ging. Es war mit der normalen Übersetzung keine Leistungsreserve mehr da. 
 

Nachdem man sich nun einige Zeit mit dem Gelände - Florett beschäftigt hat, bleibt von dem Wunderglauben nicht viel übrig. Dafür aber wird man belehrt, wie wenig Zauberei dazu gehört, ein anständiges Fahrzeug zu machen. Die Versuchsabteilung in Stuttgart war nur mit Liebe und Können bei der Sache, und dort, wo diese Attribute zu finden sind, ist aller Hokuspokus überflüssig. Man hat ganz einfach Fehler und Schwächen ausgemerzt, und das eben so lange, bis ein Fahrzeug auf den Rädern stand, dessen kritische Punkte so geringfügig sind, daß man sich die Mühe sparen kann, sie kunstgerecht zwischen den Zeilen zu verbergen. Wer nun immer noch an ein Wunder glauben will, der wird auf den leistungsfähigen Motor verweisen. Er hat ohne Zweifel mehr drin als der bisherige Serienmotor. Genau sind es 3,6 PS, und die hat das Florett 1960 auch. Das Triebwerk der Geländemaschine war nichts weiter als ein Versuchsmotor. Mit der nunmehr erreichten Leistung hält man wiederum die Spitze. Vor allem aber bringt das gute halbe Pferd genau den Zuwachs an Leistung, den das Florett noch brauchte, um mehr als ein landläufiges Kleinmotorrad zu sein. Die Beschleunigung reicht aus, um im Stadtverkehr König zu sein, und die Leistung auf der Straße ist mehr als beachtlich. Ich stieg auf das Kreidler von einer R 50 um, ich habe mich auch auf längeren Strecken nicht gelangweilt. Ob man jemals diesen Gelände - Apparat in Serie bauen wird, ist zur Zeit noch fraglich. Es ist jedoch anzunehmen, daß man sich einer entsprechenden Nachfrage beugen wird. Hat es sich erst mal herumgesprochen, wie billig man mit dem Florett seinem Sport nachgehen kann, so wird es an dem Kaufinteresse nicht fehlen! 

- cpb -

Erstellt: 03.10.2001
Stand: 27.05.2006
Test und Bilder: Kraftrad Sport und Technik 11/1959
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