Zurück zur Einleitung
 
Kaufberatung
für Kreidler Florett 1959 bis 1966

 
Seit Wochen hat Andy jetzt in der Gegend herumtelefoniert, und heute hat er eine ältere Dame am Telefon, die ihm ein Kreidler Florett Mokick von 1962 anbietet. "Jo" sagt sie "Opa geiht nu op de nignty to, dor schall he nich mehr förn ! He kun jo ook nix mehr kieken ..." (Für alle südlich der Elbe: Oma berichtet, das Opa mit seinen 90 Jahren nicht mehr fahren soll, weil er auch nicht mehr richtig sehen kann). Das scheint Andy eine echte Gelegenheit zu sein: ein Florett aus erster Hand ! Sofort startet Andy mit PKW und Anhänger in Richtung Norden, denn da kann man ja nicht viel falsch machen ... 
... doch, Andy, man kann ! Und damit Sie, liebe/r LeserIn, nicht zu viel falsch machen, gucken wir uns das "angebotene" Mokick jetzt ganz in Ruhe gemeinsam an.
 
Vergessen und Eingestaubt: Typischer Scheunenfund

Andy staunt nicht schlecht, was Opa da aus dem hintersten Winkel einer Scheune hervorzaubert. Tatsächlich, eine alte Kreidler, aber so wie es aussieht, ist Opa schon Jahre nicht mehr damit gefahren, eine dicke Staubschicht bedeckt das ganze Mokick.
 

Fahrzeugpapiere

Doch halt, bevor Andy sich jetzt dem Fahrzeug widmet, schaut er sich erstmal die Fahrzeug - Papiere an. "Jo", sagt Opa, "de hev ik hiää" und kramt umständlich in seiner Gesässtasche. Er zaubert Betriebserlaubnis und Bedienungsanleitung hervor:
 

Fahrzeugpapiere

Zu jedem Fahrzeug gehören natürlich auch Fahrzeugpapiere. Kreidler lieferte seine Fahrzeuge mit (deutscher) Betriebserlaubnis oder den Bestimmungen des Exportlandes entsprechenden Papieren, Bedienungsanleitung und Garantiekarte aus. Schön und selten, wenn alles noch vorhanden ist. 

Auf der in Deutschland nötigen Betriebserlaubniskarte befindet sich gleichzeitig der Eigentumsnachweis für das Fahrzeug. Hier sollte die Fahrgestellnummer mit der eingeschlagenen Nummer am Rahmen verglichen werden. Auch die ursprüngliche Motornummer ist eingetragen.

Wenn die Betriebserlaubniskarte fehlt, sollten - bevor das Fahrzeug weiter beguckt wird - die Eigentumsverhältnisse eindeutig geklärt sein. Bei verlorener Betriebserlaubniskarte kann nach diversem Papierkrieg eine Zweitschrift ausgestellt werden, Kosten je nach Eigenheiten der örtlichen Zulassungsstelle zwischen 50.- und 200.- DM ...
 

Schwer zu beschaffen: Schlüssel und frühes Lenkschloss

Während sich Andy noch die Papiere anguckt, hat Opa inzwischen noch die Schlüssel hervorgekramt, und damit wäre dieses Kapitel zur Zufriedenheit aller abgeschlossen. Fehlen die Schlüssel, muss das Lenkschloss vorsichtig ausgebohrt und ersetzt werden. 
 

Fahrgestell

Zuerst einmal versucht Andy, sich einen Gesamtüberblick über Opas Mokick zu beschaffen. So, wie es aussieht, ist das Fahrzeug komplett, hat aber diverse Mängel. Die Sitzbank ist eingerissen und müsste neu bezogen werden. Rahmen, Schutzbleche, Federbeine und Auspuff und Felgen wurden mit Ofenfarbe angestrichen, nur noch der Tank hat Originallack. Da sich die Ofenfarbe nicht als Untergrund für einen neuen Lackaufbau eignet, und zudem unter dieser Schicht doch einiges an Rost vermutet werden darf, geht Andy davon aus, dass er das ganze Fahrzeug zerlegen und abstrahlen müsste.

Schwer zu beschaffende Teile wie Scheinwerfer, Gepäckträger, Lenkerabdeckung und Blech - Kettenkasten sind noch vorhanden. Also insgesamt eine mögliche Grundlage für eine Totalrestauration.
 

Alteisen: Felgen- und Speichenrost

Als nächstes beguckt sich Andy die Räder. Einfach ´mal durchdrehen und sehen, ob die Felgen rund laufen, hat noch niemals geschadet. Mit einem kleinen Trick kann man die Speichen auf Spannung prüfen: wenn man die Speichen vorsichtig mit einem kleinen Schraubenschlüssel (im Notfall geht auch ein Haustürschlüssel) anschlägt, müssen sie einen hellen Ton abgeben. Bei der Gelegenheit können auch die Radlager getestet werden. Beim Wackeln am Rad sollte im Radlager kein Spiel fühlbar sein.

Vor allem die vorderen Felgen und Speichen sind oft verrostet. Neues Verchromen lohnt sich nicht, denn Felgen und Speichen sind ohne weiteres beschaffbar. Allerdings ist Einspeichen nicht jedermanns Sache und so kann dieser Posten einiges an Geld verschlingen. Ebenso sollten die Reifen genau beguckt und auf Alterung geprüft werden. Weil Andy grad´ am Vorderrad ist, prüft er auch Lenkkopflager und Schwingenlager auf Spiel und Leichtgängigkeit. Der Lenkerendanschlag an der Gabel bricht gerne ab. Die Faltenbälge an der Vorderradschwinge sind oft eingerissen. Ebenso sind die Gummidämpfer in den vorderen Federn oft zerbröselt, um sie zu prüfen, müssen die Faltenbälge abgehoben werden.

Bei den Modellen ab etwa 1965 sind die Verkleidungen auf der Gabel und vor dem Lenkkopf aus eingefärbtem Plastik. Diese Teile sind oft ausgeblichen und reissen leicht ein. 

Auch die Bremsen beguckt sich Andy genau: lässt sich der Handbremshebel bis zum Gasgriff ziehen oder der Fusshebel bis auf den Auspuffkrümmer treten, ohne das das Rad gebremst wird, sollten Bremsbeläge und Bowdenzüge schon mal in Gedanken auf die Einkaufsliste gesetzt werden. Auch kann man davon ausgehen, das uralte Bremsbeläge keine Bremsleistung mehr bringen. Steht der Betätigungshebel an der Bremsankerplatte im Ruhezustand nicht senkrecht zum Bowdenzug, kann ebenso von verschlissenen Bremsbelägen ausgegangen werden (der in diesem Fall durch Verdrehen des Bremshebels auf der Betätigungswelle ausgeglichen wurde)
 

Endzeitstimmung: Durchrostungen am Rahmenheck

Jetzt ist ein genauerer Blick auf Rahmen und Schutzbleche fällig. Dabei achtet Andy auf eventuelle Durchrostungen. Alle frühen Kreidler Florett sind rostanfällig, nicht nur an den Schutzblechen im Bereich von allen Verschraubungen. Auch die Vorderrad -Schwinggabel rostet bei ungepflegten Fahrzeugen an der oberen Stossdämpferaufnahme und ab und zu auch im toten Winkel hinter der Schwinge durch. Ebenso rostanfällig ist das Heck des Schalenrahmens, hier sollte ganz genau geguckt werden, denn der Gilb frisst sich hier auch an nur schwer einsehbaren Stellen von innen nach aussen durch, und auch unterhalb des Tanks und hinter den Motorverkleidungen hält die braune Pest Einzug..
 

Problemzone: Fussraste und Hauptständer

Als nächstes wagt Andy den ersten Blick unter das Fahrzeug. Der Hauptständer ist oft abgeschliffen oder verbogen und die Fussrastenanlage krumm, gebrochen oder geschweisst, sodass hier Ersatz fällig wird. Ebenso verdient die Lagerung der Hinterradschwinge genaue Beachtung. War bei ganz frühen Florett Modellen die Schwingenlagerung noch mit einem Schmiernippel versehen, so hat sie seit etwa 1962 eine Dauerfettfüllung, mit dem Resultat, das sich niemand mehr wirklich darum kümmert. Nach fast 40 Jahren ist dann der Schwingenbolzen hoffnungslos im Rahmen und / oder in der Schwinge festgerostet, und es bewegt sich beim Einfedern entweder garnichts mehr, oder der Drehpunkt hat sich nach aussen an die Schwingenbefestigung verlagert. Beides könnte für Rahmen und Schwinge den Exitus bedeuten, die Reparatur ist sehr aufwendig.

Wenn sich die Schwingenlagerung noch bewegt, und lediglich zu viel Spiel hat, ist die Sache einfacher: solange alles noch gängig ist, können Schwingenlagerbolzen und Kunststoffbuchsen problemlos ausgetauscht werden. Ohne Demontage der linken Motorverkleidung kann leider kein Blick auf die Hinterradschwinge geworfen werden: schon so manche Schwinge ist von einer schlecht gespannten Kette einfach durchgescheuert worden ...

Eine weitere Problemstelle befindet sich im Bereich der Fussrasten: Oft bekommt der Rahmen an der Befestigung Vibrationsrisse, im Extremfall bricht das untere Rahmenteil mitsamt Fussraste einfach ab. Diese Stelle ist sehr schwer einzusehen, und eine Reparatur sollte nur von einem sehr erfahrenen Schweisser vorgenommen werden.
 

Chrom- und Glanzteile

Am Kreidler Mokick wurden zwei verschieden Arten von Glanzteilen eingesetzt: Verchromte Stahlteile und aufpolierte Aluminiumteile. 
 

Fast italienische Verhältnisse: flammendes Rot und gleissender Chrom am Kreidler - Mokick

Andy erkennt sofort, dass bei Opas Mokick in Bezug auf die Chromteile Hopfen und Malz verloren ist. Alle Teile sind entweder dick mit Ofenfarbe eingeschmiert oder angerostet. Verchromt waren einstmals Felgen und Speichen, Auspuff, Lampenring, Hupenattrappe, Federbeinhülsen, Fussbremshebel, Gepäckträger und diverse Kleinteile. Eine Neuverchromung ist im Normalfall sehr teuer, Ersatz für die Chromteile nur schwer zu beschaffen. Diese Teile bilden ein echtes Manko an Opas Mokick, wenn Andy es irgendwann restaurieren würde.

Bei den Aluminiumteilen sieht es etwas anders aus: Radnaben, Kupplungsdeckel, Hand- und Fusshebel, Rahmen- und Sitzbankzierleiste sowie - bei älteren Modellen die hinteren Federbeinhülsen - waren hochglanzpoliert. Solange diese Teile noch keine tiefen Kratzer und Korrosionsnarben aufweisen, können sie (in mühsamer Handarbeit) wieder aufpoliert werden.

Andy hat einen Bekannten, der in einer Firma arbeitet, die galvanisch verzinken kann. In Gedanken hat er schon diverse Schrauben, Muttern, und Kleinteile von Opas Mokick dorthin gegeben, weil diese Art der Oberflächenbehandlung relativ preiswert Kleinteile in frischem Glanz erstrahlen lässt.
 

Motor und Technik

Der 3 - Gang Motor ist das robuste Arbeitstier unter den Kreidler - Motoren. Meistens mit Gebläsekühlung ausgerüstet, oft noch in erster Hand eines Rentners erreicht er bei sachgerechter Pflege - und so lange niemand ´dran herumgefummelt oder frisiert hat - biblische Laufleistungen. 50 - 100.000 km sind hier keine Seltenheit. 

Trotzdem hat dieser Motor auch seine typischen Verschleisserscheinungen: Ein gut laufender Gebläsemotor hört sich an wie ein Staubsauger, d.h. das Geräusch vom Gebläse dominiert eindeutig vor den sonstigen mechanischen Geräuschen. Bei den älteren Motoren macht ein ausgeschlagenes oberes Pleuelauge durch deutliches Ticken beim warmen Motor auf sich aufmerksam. Hier ist dann ein neuer Kolbenbolzen und eine Pleuelbuchse auszutauschen. Bei neueren Motoren mit Nadellager ist in diesem Fall meistens auch ein neues Pleuel fällig (Kurbelwellenüberholung), da dessen Lagerbohrung verschleisst. 

Mit zunehmender Laufleistung sollten die Kolbenringe ersetzt werden, ebenso ist der Zylinder auf Verschleiss und Riefen zu überprüfen, daneben löst sich ab und zu die Hartchromschicht an der Zylinderwand. Beides führt zu einem harten Laufgeräusch. 

Andy wirft den zweiten Blick unter das Fahrzeug. Zuerst kontrolliert er den Auspuffflansch am Zylinder. Ist der Krümmer lose, obwohl die Flanschschraube festgezogen ist, kann es sein, das der Auspuffflansch total vermurkst ist. Eine Reparatur ist fast unmöglich: Dann ist ein neuer Zylinder fällig. Ausserdem guckt sich Andy den Schaltmechanismus genau an:
 

Schwachpunkte: Ölverslust an der Schaltwelle (u) und ausgeschlagene Kugelköpfe der Übertragungswelle, verschlissene Lagerung der Fusshebelwelle (o)

Getriebe und Kupplung sind sehr robust, aber es tritt oft und vor allem bei fussgeschalteten Motoren Ölverlust an der Schaltwelle auf. Bei handgeschalteten Motoren ist die Belastung der Schaltwelle nicht so einseitig, der Verschleiss tritt später ein. Ebenso schlagen die Lagerung von der Fusshebelwelle und die Kugelköpfe von der Schaltstange aus. Sollten die Gänge während der Fahrt herausspringen, deutet das auf verschlissene Stifte im Schaltrad (2tes Gangrad) hin. Dann muss der Motor zerlegt werden, ebenso bei gebrochener Kickstarterfeder.

Das die Simmerringe nach 30 - 40 Jahren ausgehärtet und damit für einen Austausch fällg sind, ist eigentlich auch selbstverständlich.

Weitere versteckte Fallen, die sich Andy anguckt: Der Vergaser bricht ab und zu am Flansch durch, wenn er zu fest angezogen wurde. Vor allem nach langer Standzeit kann der Vergaser innen total verharzt oder auch korrodiert sein. Wer jetzt losfährt. riskiert einen Motorschaden. Also: nach langer Standzeit Vergaser reinigen ...

Um den Zündkerzenstecker befindet sich eine Dichtkappe, die verhindert, das Wasser und Dreck in Richtung Zylinderkopf gelangt und dort die Kühlrippen verstopft. Der Kerzenstecker selbst ist - da im Spritzbereich - ebenfalls anfällig. Leidet das Mokick an Zündaussetzern, kann das an Funkenflug zwischen Zündspule und Motorgehäuse liegen, hier hilft ein Stück Plastik als Isolierung. Auch ist ab und zu ein neuer Kondensator fällig.

Ebenso riskiert Andy einen Blick in den Tank. Oft findet sich hier viel Rost. Rost aussen am Tank ist relativ leicht in den Griff zu bekommen, im Tank selbst ist es weit schwieriger, weil man nur schwer herankommt. Hier hilft oft nur - nachdem in den Tank eine Hand voll Kieselsteine eingefüllt und er dann mehrere Stunden geschüttelt wurde - eine Totalreinigung und eine anschliessende Kur mit Rostumwandler und Tankversiegelung.
 
 

Auch von oben alles OK ?

Bei dieser Gelegenheit inspiziert Andy alle Bedienungselemente, sind Lichtschalter, Tacho und Klingel (Schnarre) vorhanden und original, lassen sich Gasgriff und Handschalthebel leicht drehen ? Ist die Handschaltung richtig eingestellt und sind die Bowdenzüge fast spielfrei ?  Interessant auch ein Blick auf die Elektrik: Ist der kabelbaum noch in Ordnung ? 
 

Probefahrt

Ist das Fahrzeug fahrbereit und angemeldet ? Dann geht es jetzt auf zur Probefahrt. Dabei testet Andy als erstes bei langsamer Fahrt die Bremsen, denn nichts ist so unangenehm wie Bremsversagen dazu noch bei einem fremden Fahrzeug. 

Springt der Motor leicht an ? Andy achtet auch darauf, ob der Motor sauber hochdreht, ob sich die Gänge leicht einlegen lassen und nicht wieder herausspringen, ob sich das Mokick leicht lenken lässt, ob die Felgen einen Schlag haben und ob die Federung sauber anspricht. Ebenso kann Andy riechen, ob es aus dem Auspuff nach Getriebeöl stinkt, dann zieht der Motor über den Kurbelwellensimmerring Getriebeöl. Geht das Fahrzeug nach kurzer Zeit von selbst aus, ist die Zündung eventuell defekt, wird der Motor sehr heiss, zieht der Motor Nebenluft.

Geht Licht ? Und was zeigt der Tacho an ? Wenn er nichts anzeigt, ist entweder die Tachowelle, der Tachoantrieb am Vorderrad oder der Tacho selbst defekt. Ersatz für letzteres ist nicht ganz billig.

Auch wenn Sie es nicht glauben: Opas Mokick läuft ohne Probleme ... 
 

Originalität

Hier kommen wir zu den kleinen Gemeinheiten, über die sich Andy Gedanken macht. Was nützt ihm - so denkt er sich - der ganze frische Lack an einem Fahrzeug, wenn der Rest vorn und hinten nicht stimmt. In der Oldtimerszene geht der Trend seit langem zum Originalfahrzeug, und zumindestens ein Fahrzeug im Zustand 1 und 2 sollte auf Originalzustand überprüft werden, bevor grössere Summen Bares den Besitzer wechseln. 
 

Im Alltagsbetrieb egal, an Spitzenfahrzeugen unverzeihlich: 68er Hupenverkleidung am 64er Mokick (Foto aus Motorrad Classic)

Auch, wenn unser Andy vorhat, sein zukünftiges Fahrzeug zu restaurieren, ist es natürlich einfacher, wenn es sich noch weitestgehend im Originalzustand befindet, denn die Suche nach Ersatz für fehlende oder falsche Teile kann zeitraubend und teuer werden. Doch der Teufel liegt im Detail, ohne genaues Studium von Prospekten, Ersatzteillisten, und anderem Material ist es heute vor allem für Neueinsteiger in Sachen Kreidler schwierig nachzuvollziehen, welches Teil nun zum Fahrzeug gehört und welches nicht.

Nicht so tragisch, weil unsichtbar: Diese Gebläseverkleidung gab´s erst ab Baujahr 1966, der Luftfilter ist vom Kleinkraftrad

So kann das vor Andy stehende Opa - Moped zwar damit punkten, dass sich noch fast alle Originalteile am Fahrzeug befinden, diese wurden aber zum grössten Teil mit mattschwarzer Ofenfarbe übergequastet, nur die Felgen wurden in edlem Gold bepinselt. So ist sich Andy von vornherein darüber im klaren, dass das Fahrzeug neu lackiert werden muss. Eine wertmässige Verbesserung bringt dabei nur eine Farbkombination, wie sie auch werksseitig lieferbar war. Wobei die erforderlichen Aufkleber für Rahmen, Tank und Schutzbleche inzwischen alle wieder erhältlich sind. Ebenso würde Andy natürlich darauf achten, dass die Sitzbank wieder mit Kunstleder in den Originalfarben bezogen, und das eingenähte Kederband genau wie die Zierleiste aus Aluminium nicht vergessen wird. Und sogar Weisswandreifen sind heute wieder aufzutreiben !

Weitere Originalitätsfallen: "Zündapp - Rücklicht", Zubehör - Tacho, Schalter, offene Federbeine, Felgen und Bremstrommeln aus Nachfolgemodell (Vorsicht, hier passt die Ankerplatte vorn nicht wirklich), Telegabel, und was weiss ich nicht alles ...

Tuning (Frisieren)

Zum Glück muss Andy hier nicht viel gucken. Denn Opa hatte nicht viel Lust zum Frisieren, seine Kreidler lief schon von Werk Tacho 60 und das hat ihm immer gereicht. Aber Andy kann sich noch an seine eigene wilde Zeit erinnern, da wurde mit Feile, Bohrer und Säge so ziemlich alles verwurstelt, was irgendwie mit Leistung zu tun haben könnte.

So sind abgesägte Auspuffkrümmer, fehlende Schalldämpfer und Luftfilter ohne Einsatz noch Kleinigkeiten. Ins Eingemachte geht es, wenn Vergaser durchbohrt, Zylinder aufgefeilt und Kolben gekürzt werden. Nicht jeder Frisierkünstler ist wirklich vom Fach und erfahrungsgemäss sind fast alle derart bearbeiteten Teile schrottreif.
 

Des Knaben Wunsch: 5,3 PS Zylinder, 18er Vergaser und Kradauspuffanlage auf 3 - Gangblock

Genau so beliebt, aber vom Resultat etwas sicherer ist der Austausch von Teilen wie Vergaser, Zylinder, Auspuff etc. gegen Kleinkraftradteile. Hier ergibt sich eine enorme Bandbreite, da Kreidler ja praktisch einen Baukasten lieferte. Zurecht darf aber bezweifelt werden, dass so eine Frisur (5,8 PS Zylinder mit 18er Vergaser auf 3 - Gang Motorblock mit Mokick - Übersetzung) der Motorlebensdauer zuträglich ist. Denn in den meisten Fällen wurde die Endübersetzung beibehalten, um beim gefürchteten "Ritzelzählen" in Polizeikontrollen nicht ganz dumm aufzufallen.

Da Andy bei Opas Moped bei Motor und Antrieb auch keine ausgetauschten Teile entdecken konnte, erübrigte sich Frage nach dem Verbleib der originalen Motorteile, auf die man bei frisierten Fahrzeugen auf jeden Fall bestehen sollte.

Zubehör

Wenn Andy so in dem alten Zubehör Katalog blättert, den er neulich auf einem Flohmarkt aufgetan hat, wird ihm richtig schwindelig ! Nein, was gab es alles an schönen Dingen, die das Florett hübscher machen konnten. Angefangen vom Sitzbank - Schonbezug in Schlangenhaut - Imitat über Zierbleche für die Kotflügel, einer kleinen Windscheibe oder der schneidigen Vollverkleidung bis hin zum verchromten Doppel - Auspuffendrohr war in den Sechziger Jahren so ziemlich alles zu haben.
 

Beliebtes zeitgemässes Zubehör: Schwingenverkleidung und Kotflügelstrebe der Super am Mokick, das Beinschild ist eher ungeliebt ...

Zubehör ist natürlich Geschmackssache, nicht jede/r möchte sich alles ans Mokick bauen, was aufzutreiben ist. Grundsätzlich sind alle zeitgemässen Chromteile in gutem Zustand schwer aufzutreiben. Vorsichtig sollte man mit Zubehörteilen sein, die grössere Veränderungen am Fahrzeug erfordern: Bohrlöcher am Rahmen sind auch nicht jedermanns Sache ...
 

Resümee

So langsam muss Andy sich entscheiden, ob er das Mokick von Opa kaufen möchte. In Gedanken oder auf einem Notizzettel hat er deswegen alle Dinge, die ihm aufgefallen sind, notiert. Und nun zieht er einen grossen Strich und macht Bilanz. Was will Opa denn für das Mokick haben ? Wieviel muss Andy an Material investieren, um es in den Zustand zu versetzen, den er haben möchte ? Was ist das Fahrzeug jetzt und nachher wert ?

Wir können und wollen Andy die Entscheidung nicht abnehmen ... aber auch hier einige Denkanstösse: Die Restaurationskosten einer Kreidler in schlechtem Zustand übersteigen leicht alleine von den Materialkosten her den Wert eines Fahrzeuges in gutem Zustand. Wenn dann noch teure Fremdarbeiten wie Lackierung und Verchromen dazukommen, wird das kleine Mokick oft tatsächlich zum Fass ohne Boden. Anhaltspunkte zum Fahrzeugwert liefert die Marktbeobachtung auf meiner Page.

Wenn also in Andys Kopf die Vernunft Oberhand gewinnt, ist auch heute noch das bessere Fahrzeug die günstigere Variante.

Andererseits werden Oldtimer natürlich auch aus dem Bauch heraus gekauft, Andy hat Spass am und Zeit fürs Restaurieren und will nicht alles auf Heller und Pfennig abrechnen, und in seinem Kreidler Mokick seine eigene Leistung erproben und wiederfinden. Insofern könnte er sich auch mit einem Restaurationsobjekt anfreunden ...

Als Abschluss des ersten Teils der Kaufberatung nocheinmal einige "aus dem Leben gegriffene" Beispiele, das, was uns heute allwochenendlich auf den Oldtimermärkten, in Kleinanzeigen oder Scheunen begegnet:
 

Schmuckstück: Ein perfekter Originalzustand oder eine sorgfältige Restauration machen das Florett Mokick zu Recht titelseitentauglich. (Zustand 1) 
(Foto: Motorrad-Classic)
Solides Fahrzeug: Vollständig und fahrbereit. Erstlack und nur geringe Mängel machen aus diesem seltenen Fahrzeug eine solide Sache. (Zustand 2-3)
Hoffnungsschimmer: Opas Mokick ist zwar mit dicker Farbe übergepinselt, aber immerhin komplett und fast fahrbereit. Um daraus wieder ein Schmuckstück zu machen, ist zwar viel Arbeit nötig, es ist aber nicht unmöglich. (Zustand 4) Bild des Grauens: Durchrostungen am Rahmen, eine falsche Gabel, fehlende Teile wie Kettenkasten, Hupenverkleidung, Vergaserabdeckung und Originalrücklicht, eingerissene Sitzbank, Ölverlust und Motortuning, degradieren diesen maladen Feuerstuhl zum Teileträger (Zustand 5-6)
Erstellt: 15.10.2000
Stand: 04.02.2002
Bilder: Archiv / Kreidler / Motorrad Classic
© Copyright 2000, 2001, 2002 : Frank Stegemann