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für Kreidler Florett Fahrgestell 1972 - 1980 |
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Das Schicksal des durchschnittlichen Kreidler Mokicks sah grundsätzlich
anders aus, als das der RS. So gab es einerseits zwei völlig verschiedene
Käufergruppen: Jugendliche, die ein Mokick als preiswertes (im Unterhalt
überhaupt bezahlbares) Fahrzeug für den Weg zur Schule oder zur
Lehrfirma kauften, und ältere Herren, die sich kein Auto leisten wollten
oder konnten, und mit dem Mokick zum Angeln oder in die Stadt zum Einkaufen
fahren wollten. Erstere Gruppe bevorzugte die sportliche RM und RMC, letztere
Gruppe die robuste und genügsame LF, oft mit Handschaltung und Anhängerkupplung.
Während also eine gepflegte LF auch heute noch oft aus erster Rentnerhand zu bekommen ist, hatte die RM gewöhnlich ein ähnliches Schicksal wie die RS, mit dem Unterschied, das nicht alle 2 Jahre strenge Prüfer bei der Hauptuntersuchung ein Todesurteil über die Mokicks gesprochen haben. Bei der RM gilt also normalerweise: nach vier Jahren verheizt, nach 6 Jahren frisiert und verbastelt, nach 8 Jahren absolut schrottreif ... und trotzdem erreichen diese Mokicks eine enorme Lebensdauer, da sie ja auch noch als Ruine gefahren werden können (und durch diverse Organspenden aus Kleinkrafträdern immer wieder am Leben erhalten wurden). Es sind also derzeit noch genug RM und RMC auf dem Markt, und wir stellen uns folgende Story vor: Nichtsahnend schlendert Andy durch den Supermarkt um die sonnabendlichen
Einkäufe zu erledigen, als er plötzlich von seinem Nachbarn angesprochen
wird. "Sach mal, Andy, ich hab gehört, Du suchst eine Kreidler. Mein
Jung´ hat doch noch so ein Mokick, und vor ein paar Wochen is´
er 18 geworden, nu´ muss er zum Bund und will sie loswerden, möcht´st
nich´ mal gucken ?" Klar möchte Andy gucken und macht gleich
für den Nachmittag mit seinem Nachbarn einen Besichtigungstermin aus.
Da steht nun das gute Stück vor ihm, und sieht auf den ersten Blick
auch garnicht schlecht aus. Aber wir wollen natürlich zusammen mit
Andy einen zweiten Blick riskieren ...
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Fahrzeugpapiere
Auch hier beguckt sich Andy als erstes die Fahrzeugpapiere. Betriebserlaubnis,
Bedienungsanleitung, gültiges Versicherungskennzeichen und Versicherungsnachweis
sind vorhanden, die Schlüssel fehlen. Ein neues Lenkradschloss ist
bei diesem Typ jedoch noch ohne Probleme beschaffbar.
Bei Modellen ohne die grossen Seitenkästen befindet sich am Werkzeugkasten
ein weiteres Schloss, welches sich mit dem gleichen Schlüssel öffnen
lassen sollte. Neuere Modelle haben auch ein Zündschloss.
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Fahrgestell
Andy hat sich schon als er über den Hof schlenderte, einen ersten
Gesamteindruck von dem Mokick verschafft. Es scheint alles komplett zu
sein, nur das Cockpit gabs erst später und die Farbe ist nicht original.
Sofort aufgefallen sind ihm auch die beiden durch den Rahmen gebohrten
Löcher: hier hat wohl ´mal eine Blinkanlage gesessen, oder es
waren nachträglich die grossen Seitenkästen angebracht. Ausserdem
wurde das Typenschild verlegt. Diese vielen Löcher müssten vorsichtig
zugeschweisst bevor der Rahmen neu lackiert werden könnte ...
Nicht nur aus optischen Gründen sollten die Löcher verschlossen werden, denn wenn durch diese Löcher Regenwasser in den Rahmen sickert und sich am Rahmenboden sammelt, gibt es in ein paar Jahren ein böses Erwachen: Der Schalenrahmen kann dort unten von innen nach aussen durchrosten ! Andy hat immer noch sein Testprogramm im Kopf: Am besten, er beguckt sich die Kreidler wie immer von vorn nach hinten. Beide Felgen und die Speichen sind mit Silberlack verschönt, aber die Bremsen sind in Ordnung und die Räder drehen leicht. Hier hat wohl der Vater des Vorbesitzers ab und zu mal ein Auge ´drauf gehabt, damit sein Sohn sicher zur Schule kommt. Sollte eine (vor allem die vordere) Felge nach unsanfter Kantsteinberührung krumm sein, so können Felge und Speichen ggf. einzeln ersetzt werden. Das gilt auch bei den Verbundrädern aus den letzten Baureihen, wogegen Leichtmetall - Gussfelgen (die von der RS Baujahr 1977-78 stammen), nicht instandgesetzt werden können. Sollte die Bremstrommel innen unrund oder total verrostet sein, kann sie eventuell vorsichtig ausgeschliffen werden, wenn man eine Werkstatt findet, die ganze Felgen einspannen und bearbeiten kann. Als nächstes nimmt Andy die Gabel in Augenschein: oft sind hier
die Simmerringe undicht und die Gabel verliert Öl an den Tauchrohren.
Vor allem, wenn die schützenden Faltenbälge der Tourengabel nachträglich
entfernt wurden. Wenn überhaupt noch Öl drin ist ... Die Sportgabel
hat serienmässig keine Faltenbälge, dafür aber ein anderes
Abdichtungssystem an den Tauchrohren. Ausserdem guckt Andy, ob sich die
Gabel leicht einfedern lässt, oder ob krumme Rohre das Einfedern blockieren.
Ebenso ärgerlich ist, wenn die Standrohre im Bereich des Federweges
verrostet sind. Eine solche Gabel ist schrottreif, als Ersatzteil gibt
es nur die verpresste Einheit aus beiden Standrohren und unterer Gabelbrücke.
An den Tauchrohren sind oft die Verschraubungen der Schutzblechstreben
an- oder abgebrochen. Ebenso ein Fall für den Verwerter ...
Nun wirft Andy einen Blick auf den Lenkerendanschlag an Rahmen und Gabel. Wenn das als Anschlag dienende Flacheisen an der Gabel verbogen oder abgebrochen ist, kann die Gabel beim Einlenken gegen den Tank schlagen und dort hässliche Beulen eindrücken. Am Rahmen ist der Anschlag oft verbogen. Bei neueren Rahmen ist hier ein Verstärkungsblech aufgeschraubt. Andys nächster Blick gilt dem Rahmenunterbau. Auch bei diesem Modell sind - wie bei den frühen Floretten - oft die Fussrasten verbogen und / oder angeschweisst. Vor allem bei hochdrehenden Motoren ist oft der Rahmenunterbau in dem Bereich, wo die Fussrastenanlage angeschraubt ist, durchvibriert, weil die Motoren ihre feinen Vibrationen direkt an den Rahmen abgeben können. Dafür ist der Rahmen weniger anfällig gegen Durchrostungen, da das hintere Schutzblech nicht Teil des Rahmens ist. Dafür rostet das Schutzblech selbst an der unteren Verschraubung durch, hat Vibrationsrisse an der Kennzeichenhalterung oder wurde vom Vorbesitzer gandenlos gekürzt. Der Hauptständer ist oft abgeschliffen oder verbogen. Auch bei diesem Typ gibts Probleme mit der Lagerung der Hinterradschwinge.
Die Kunsstoffbuchsen sind oft ausgeschlagen. Das ist an sich unproblematisch
und Ersatz ist günstig, wenn aber der Lagerbolzen in der Hinterradschwinge
festgerostet ist, wird die Reparatur unangenehm, hier hilft oft nur Heissmachen
der Schwingenfäuste oder im Extremfall Ausbohren des Schwingenbolzens
oder Zersägen der Schwinge. Nicht mehr zu helfen ist der Schwinge,
wenn sie von einer schlecht gespannten Kette durchgescheuert wurde. Um
einen vorsichtigen Blick zu riskieren muss Andy die Motorverkleidung abschrauben
(lassen) ...
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Ausstattung, Chrom- und Glanzteile
Andy weiss noch aus seiner wilden Zeit, das die Chromteile im Laufe
der Zeit immer schlechter verarbeitet wurden. So waren bei neueren Mokicks
Gepäckträger und Federbeine schneller verrostet, als man die
Maschine putzen konnte. Tanks und Lenker waren besser verarbeitet.
Deswegen achtet Andy ganz besonders auf die Chromteile. Beulen und Rostnarben
im Chromtank können ein teures Aha - Erlebnis verursachen, da die
Neuverchromung eines Tanks schnell mehrere hundert Mark verschlingt. Lackierte
Tanks sind wesentlich einfacher und günstiger aufzuarbeiten. Wie immer
lohnt sich auch ein Blick in den Tank, da hier der Rost oft sein Unwesen
treibt. Bei den anderen Chromteilen ist ein Ersatz durch Neuteile oder
sehr gute Gebrauchtteile oft günstiger als eine Neuverchromung.
Kritisch ist auch die Auspuffanlage. Wenn überhaupt noch die richtige
Anlage montiert ist, so ist deren glänzende Beschichtung im Laufe
der Jahre oft dermassen verrostet oder durch das beliebte Ausbrennen so
stark angelaufen, das sich ein Ersatz anbietet. Hier ist zu beachten, das
es auf dem Ersatzteilemarkt 2 verschiedenen Arten von Anlagen gibt: qualitiativ
hochwertige und nicht ganz billige Kreidler Originalanlagen und oft etwas
luschig verarbeitete Nachbauanlagen, die wesentlich preiswerter sein müssen,
damit sich der Kauf wirklich lohnt.
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Motor und Technik
Von Haus aus haben die Kreidler Motoren alle Anlagen mitbekommen, um
bei richtiger Waartung und Pflege eine ganz gewaltige Lebensdauer zu erreichen.
(Solange niemand daran herumfrisiert, s.u.). Trotzdem gibt es ein paar
Problemstellen, die regelmässig Ungemach bereiten, und auf die Andy
beim Kauf achtet:
Ein solches Sorgenkind ist zum Beispiel die aussenliegende Schaltübertragung bei Motoren bis ca. 1975. (weisser Pfeil im Bild). Hier schlagen die Gelenke aus und der Schalthebelweg wird immer länger. Da alle Teile von aussen zugänglich sind, ist das Problem leicht zu beheben. Bei Motoren ab 1976 wurde dieser Mechanismus in das Getriebegehäuse verlegt, insgesamt ist diese Mimik nicht so anfällig, jedoch bricht bei unsanftem Schaltfuss ab und zu die Hakenklaue im Getriebe ab. Dann geht plötzlich nichts mehr ... Ebenso normal aber unerwünscht ist es, wenn an der Schaltwelle Öl austritt und Fahrers linke Schuhspitze "konserviert". Abhilfe gegen den Ölfuss schafft Abdichten der Schaltwelle, dazu muss der Motor zerlegt und ein O-Ring auf der Schaltwelle erneuert werden. Dagegen können die Simmerringe von Schaltwelle, Getriebeausgangswelle und Kurbelwelle (unter dem Magnetzünder) mit etwas Geschick auch ohne Motorzerlegung erneuert werden. Ist der Kurbelwellen - Simmerring auf der Kupplungsseite undicht, verbrennt der Motor Getriebeöl. Dieser Simmerring kann ohne Motorausbau getauscht werden, dazu müssen Kupplung und Primärzahnrad ausgebaut werden. Oft hat der Kupplungshebel im Getriebegehäuse Spiel (schwarzer Pfeil) und muss ausgebuchst werden, damit bei Regenfahrt kein Wasser ins Getriebe gelangen kann. Das Gewinde der Ölablasschraube ist oft überdreht, und wurde bei neueren Motoren mit innenliegender Schaltung zum Ölwechsel aus Versehen die (vordere grosse) Schraube mit der Schaltraste herausgedreht, geht schalttechnisch eventuell nichts mehr. Ein guter RM Motor hat ebenfalls ein sauberes Laufgeräusch. Übermässige mechanische Geräusche deuten auf Lagerschaden (Pleuel- und Hauptlager) oder Kolbenkipper hin. Andy kann die Laufgeräusche auch ganz gut mit einem grossen Schraubendreher abhorchen. Auch bei der RM guckt sich Andy den Auslass am Zylinder an. Bei den Modellen bis 1976 ist der Auslassflansch am Zylinder oft zerquetscht. Manchmal wird dieses Manko kaschiert, indem die Kühlrippen in diesem Bereich abgesägt wurden und der Krümmer weiter aufgeschoben wurde. Ein Fall für die Tonne ... Ab 1976 hat der Zylinder einen Schaubflansch. Der ist unproblematisch, eventuell überdrehte Gewinde können leicht mit Helicoil Einsätzen repariert werden. Übrigens: Wenn der Motor nicht richtig läuft, können nicht nur ein verkokter Auspuff, defekte Zündkerze, Kerzenstecker, Zündspule oder Kondensator in Frage kommen. Wenn das alles in Ordnung scheint, schaut Andy auch mal unter die Sitzbank: Ab und zu verstopft dort ein vergessener Lappen die Ansauglöcher im Rahmen ... Eine Sache für sich ist die Fahrzeugelektrik. Hier guckt Andy vor
allem auf die Kabel im Bereich vom Lenkkopf. An sonsten richtet sich der
Zustand auch nach dem Basteltrieb der Vorbesitzer, Wenn nachträglich
Cockpit, Blinker oder Schnarre angebaut wurden, heisst das noch lange nicht,
das die Elektrik entsprechend angepasst wurde. Viele Hobbyschrauber und
so manche Profis sind mit den kleinen Geheimnissen von Strom und Spannung
einfach überfordert. In den Ersatz eines defekten oder verpfuschten
Kabelbaumes kann man schnell einige Stunden investieren.
Kroordierte, ungepflegte oder falsch verlegte Bowdenzüge können
die benötigten Handkräfte für Kupplung, Bremse und Gas rapide
ansteigen lassen. Auch kann sich Andy noch daran erinnern, dass er in seiner
wilden Zeit aufgrund von Taschengeldmangel so manchen Bowdenzug kunstvoll
repariert hat. Sein ganzer Stolz war zum Beispiel ein Seemannsknoten mit
dem er aus zwei gerissenen Vorderradbremszügen einen gemacht hatte
... Ersatz für defekte Züge ist einfach zu beschaffen, hier empfiehlt
sich der Kauf von Originalteilen, die zwar auf den ersten Blick etwas teurer
sind, aber sich dafür schnell und problemlos einbauen lassen.
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Probefahrt
Leider ist dieses Fahrzeug zwar angemeldet, aber aufgrund eines Getriebeschadens nicht fahrbereit. Deswegen muss Andy alle Funktionen im Stand testen und erfühlen. Er ist sich natürlich im klaren darüber, das es ein hohes Risiko ist, ein Fahrzeug ohne Probefahrt zu kaufen: Denn nur während der Fahrt lässt sich das Fahrverhalten einwandfrei
testen. Die Funktion von Licht und Tacho kann Andy zwar auch im Stand beurteilen.
Ausserdem kann er über die Räder peilen und so ungefähr
sehen, ob die Spur vom Mokick noch stimmt. Stossdämpfer, Bremsen,
Kupplung und Schaltung lassen sich dagegen nur schwer im Stand beurteilen.
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Originalität
Wenn Andy Wert auf absolute Originalität legt, stösst er hier
ganz schnell an seine Grenzen. Denn seit 1972 hat Kreidler praktisch in
jedem Modelljahr und für jedes Modell das Design von z.B. Scheinwerfer,
Tank, Sitzbank, Schutzblechen, Rücklicht, Armaturen, Cockpit, Zylinder,
Auspuffanlage und Felgen geändert. Und da aufgrund des Baukastensystems
fast alles mit allem zu kombinieren ist, ist es schon sehr schwierig, zu
beurteilen, was nun an welches Fahrzeug gehört.
Zum Glück hat Andy zuhause noch einen Prospekt von der 74er RM herumliegen, und sieht deswegen sofort, das Cockpit und Scheinwerfer und Rücklicht nicht an dieses Fahrzeug gehören. Auch deuten nicht verschlossene Löcher am hinteren Schutzblech darauf hin, das Schutzblech oder Gepäckträger vormals an einem anderen Mokick gewesen sein könnten. Im Zweifel hilft vielleicht auch ein Blick auf die Datenseiten vom Kreidler Museum. In der Oldtimerszene geht der Trend seit langem zum Originalfahrzeug. Ob sich Andy diesem Trend anschliessen will, ist jedoch seine Privatangelegenheit. Vielleicht möchte er sein Mokick auch gerne nach seinen Wünschen und seinem Geschmack umbauen. Wenn es so ist, wollen wir ihn gewähren lassen, denn über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten ... |
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Tuning (Frisieren)
Gerade an den RM - Modellen wurde oft frisiert, was das Zeug hält.
Die jugendliche Zielgruppe nahm normalerweise jede Gelegenheit wahr, dem
Sportmokick auf die Sprünge und über die 40 km/h Marke zu helfen.
Vor allem, wenn wegen eines Motorschadens - wobei dieser oft durch unfachmännische
Frisierversuche mit Feile und Bohrer entstanden sein dürfte - sowieso
Arbeit am Motor anstand, wurden Mokickteile wie Zylinder, Kolben, Vergaser
und Auspuffanlagen gerne durch schnelle RS - Teile ersetzt. Wenn nicht
gleich ein ganzer RS Motor eingebaut wurde.
Andy überlegt noch, ob ein frisiertes Mokick sein Ding ist, zumal
es es nicht legal auf der Strasse bewegen dürfte. Oder wäre es
nicht sinnvoller für ihn, sich gleich eine RS zuzulegen, da inzwischen
die Unterhaltskosten auch nicht mehr wesentlich höher als für
ein Mokick sind (wenn man die Versicherungstarife geschickt vergleicht).
Auf jeden Fall würde sich Andy bei einem frisierten Mokick die Originalteile
mitgeben lassen, denn es kann sehr schnell sehr teuer werden, ein Mokick
wieder zurückzurüsten.
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Resümee
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